Die Besetzung der Außenverteidigung zeigt die Entwicklung von Eintracht Frankfurt besser als jede andere Position. Arthur Theate, Rasmus Kristensen und zwei junge Senkrechtstarter haben großen Anteil daran, dass sogar Dino Toppmöller von einer Spitzenmannschaft spricht.
Deutliche Verbesserung auf den Außenverteidigerpositionen
Beinahe schon etwas ungläubig saß Dino Toppmöller am Sonntagabend in den Katakomben des Heidenheimer Stadions. „Jetzt sitze ich hier nach einem 4:0 in Heidenheim – das hätten wir uns so jetzt auch nicht unbedingt gedacht“, sagte der Trainer des Tabellenzweiten auf der Pressekonferenz. Höchst souverän hat die Eintracht ihren Statuts als Bayern-Verfolger Nummer 1 gefestigt. „Wie eine Spitzenmannschaft“ habe sein Team gespielt, lobte Toppmöller. Diese Bezeichnung hat der 44-Jährige zuletzt noch gemieden.
Vor genau acht Monaten haben selbst kühnste Optimisten diese Entwicklung nicht gesehen. Am 2. März spielte die Eintracht zuletzt in Heidenheim. Auch damals sicherte sich die SGE drei Punkte, das Spiel endete 2:1. Viel mehr Gemeinsamkeiten gibt es aber nicht.
Den Maulwurf braucht’s diesmal nicht
Damals wähnten nicht wenige die Tage von Toppmöller als Trainer der Eintracht gezählt. Sechs Spiele in Serie, den gesamten Februar, blieb die Mannschaft zuvor ohne Sieg. Die schlechten Leistungen gipfelten im peinlichen Aus in der Conference League gegen Union Saint-Gilloise. Auf der schwäbischen Alb endete die Negativserie nur dank einer außerordentlichen Portion Spielglück: Wegen eines Platzfehlers trat Schlussmann Kevin Müller ein Luftloch, und der Ball kullerte ins Tor.
Am Sonntag waren die Vorzeichen gänzlich andere: Zweiter in der Liga, ungeschlagen in der Europa League und sieben Siege in Serie dank eines schnörkellosen und zielstrebigen Vertikalfußballs, den Toppmöller und sein Team der Mannschaft an die Hand geben. „Den Maulwurf haben wir wieder losgeschickt. Ob er den Job noch mal genauso gut macht, das weiß ich nicht …“, scherzte der Trainer im Vorfeld. Doch den braucht’s diesmal nicht.
Auf Omar Marmoush war wie immer in diesen Tagen Verlass. Einmal mehr spielte sich aber auch Nathaniel Brown in den Mittelpunkt. Der zeigte am offensichtlichsten, dass er unter der Woche Energie sparen konnte oder besser gesagt musste, da er nicht für die internationalen Spiele gemeldet ist – eine Entscheidung, die mit dem Wissen der letzten Wochen sicher anders ausgefallen wäre.
Der erste Assist seiner Bundesliga-Karriere verdient das Prädikat Extraklasse: Brown setzte sich an der Mittellinie durch und marschierte bis kurz vor den Strafraum, um dort im perfekten Moment Marmoush zu bedienen. 27 Minuten später servierte Brown den nächsten Treffer und spielte sich in einen Flow. Wiederum neun Minuten danach war auch Browns nächster Pass in die Tiefe so präzise, dass Marmoush in seiner aktuellen Form gar nicht vergeben konnte.
„Es macht mich stolz, wie er mit der Situation umgegangen ist.“ (Toppmöller über Nathaniel Brown)
Die Entwicklung des 21-Jährigen in dieser rasanten Geschwindigkeit ist beeindruckend. Es ist kaum zu glauben, dass Brown am Sonntag sein erst fünftes Bundesligaspiel machte. „Nene hat eine sehr gute Vorbereitung gespielt, er hatte aber das Momentum nicht auf seiner Seite und war außen vor. Es macht mich stolz, wie er mit der Situation umgegangen ist. Wichtig war, dass er mental stark bleibt und weiter an sich glaubt. Mit der Unterstützung vom Trainerteam ist er dran geblieben. Das ist jetzt der Lohn für sein Invest“, betonte Toppmüller.
602, 22, 0: Körbels Karriere in Zahlen (k+)
Der Ex-Nürnberger wusste die Freiheiten im Offensivspiel zu nutzen, dass er nicht als Linksverteidiger, sondern in offensiverer Rolle zum Einsatz kam. Hinten links verteidigte der einmal mehr absolut souveräne Arthur Theate, dem auch ein beachtlicher Anteil am zweiten Treffer gebührt, als er Brown die linke Seite entlang schickte. Rechts hinten gab Rasmus Kristensen nach überstandener Oberschenkelverletzung sein Startelfcomeback. Nnamdi Collins, dessen jüngste Entwicklung starke Parallelen zu Browns Weg aufweist, saß erstmal auf der Bank.
Eine klare Verbesserung zu Max und Buta
Kaum eine Position zeigt den Wandel der Eintracht derart exemplarisch wie die Außenverteidigung. Zur Erinnerung: Im März, bei besagter letzter Reise gen Heidenheim, verteidigten Aurelio Buta rechts und Philipp Max links. Beide verkörperten nur in wenigen Ausnahmen die Qualität, die sich der Verein erhoffte. Butas Leihe an Stade Reims und Max‘ Wechsel zu Panathinaikos waren für alle Parteien in diesem Sommer der logische Schritt. Niels Nkounkou, der damals im Mittelfeld begann und Max in der zweiten Hälfte als Linksverteidiger ersetzte, müsste stark zulegen, damit ihn nicht das gleiche Schicksal ereilt. Von den letzten acht Bundesligaspielen erlebte er nur eins als Teilnehmer auf dem Rasen.
Theate und Kristensen sind individuell mehr als eine Klasse besser als genanntes Trio. Ganz besonders wichtig ist das international erfahrene Duo als Führungsfiguren im Team. Dass Toppmöller mit Brown und Collins zwei Senkrechtstarter als Back-up in der Hinterhand hat, macht es gerade recht einfach, die Belastung in den vielen englischen Wochen auf diesen Positionen zu steuern. Dass Brown jetzt auch in offensiverer Rolle glänzt, ist die Kirsche auf der Torte.
Leipzig als Gradmesser – gleich zwei Mal
Mit der Souveränität der vergangenen Wochen sind die verbleibenden Heimspiele in diesem Jahr gegen Augsburg (7.12.) und Mainz (21.12.) im Grunde Pflichtaufgaben für das Team. Dafür wird sich in den zwei Auswärtsspielen gegen RB Leipzig zeigen, wie gefestigt der Status der Spitzenmannschaft wirklich ist. Am Mittwoch (20.45 Uhr) geht es zunächst im Pokal gegen RB, am 15. Dezember dann in der Liga.
Bei der Eintracht sind sie jedenfalls hungrig auf mehr. Die Lobeshymnen sind noch nicht viel wert, betonte Toppmöller: „Es gibt noch keinen Preis für gar nichts“. Die Verantwortlichen zeigen sich stets selbstkritisch. Den jüngsten Ansatzpunkt nahm sich das Team postwendend zu Herzen. „Wir haben den Jungs am Donnerstag vorgeworfen, dass sie so ein Spiel schneller zu machen müssen“, sagte Toppmöller über das 2:1 beim FC Mydjylland. „Das haben sie heute gemacht.“
Wenn jetzt auch noch Toppmöllers Worte vom Sonntag prompt in die Tat umgesetzt werden, sollte sich die Konkurrenz schonmal in Acht nehmen. Vor dem Spiel sagte der Trainer nämlich: „Wir sind noch nicht da, wo wir uns sehen: noch mehr Dominanz, noch einen besseren Ballbesitz, noch eine bessere Struktur.“ Das kann ja was werden.